Vom Jurastudium zur Sterneköchin

Mein Weg zu den Sternen

Um von der ersten Stunde an zu beginnen: Geboren wurde ich als Léa Elisabeth Linster am 27. April 1955 in Differdange (dt. Differdingen) in Luxemburg. Ich war, Ihr ahnt es, ein lebhaftes Kind und wuchs mit einem Bruder und zwei Schwestern in Frisange auf. Der kleine Ort nahe der französischen Grenze war eher ein Straßendorf, das für viele Luxemburger und Urlauber als letzter Halt vor der Grenze genutzt wurde. Gott sei Dank! Denn für die Durchreisenden betrieben meine Eltern zusätzlich zu unserem Gasthaus und einer Kegelbahn auch eine Tankstelle.

Der ideale Ort, um sich den Herausforderungen des Lebens spielerisch zu nähern. Ich probierte mich ganz selbstverständlich – mit Ehrgeiz und meist nach meinen eigenen Vorstellungen – in Küche und Gaststube aus und kochte mein erstes Menü im Alter von 16 Jahren. Beim Service an der Tankstelle verdiente ich später mein Taschengeld und lockte die holländischen Urlauber am Abend mit dem Duft von geröstetem Brot, damit sie sich bei uns vor der Weiterfahrt mit einer Suppe stärkten. Ganz nebenbei lernte ich durch den Kontakt mit den ausländischen Gästen den Klang der fremden Sprachen, die ich in Grundzügen recht schnell erlernte.

Mit 27 Jahren Unternehmerin

Zur Schule ging ich natürlich auch. Dass sich meine Eltern dafür nicht näher interessierten, fand ich wunderbar. Nach dem Abitur studierte ich erst einmal Jura in Metz, wobei ich mich schon früh darauf spezialisierte, meine Kommilitonen mit dem besten Essen der Stadt zu versorgen. Als mein Vater dann erkrankte und bald darauf verstarb, galt es eine Entscheidung zu treffen. Ich fasste Mut und übernahm 1982 das gesamte Anwesen in Frisange – mit allen Verbindlichkeiten.

Es gab einiges zu tun, denn in meiner Phantasie war ich schon ziemlich weit. Vor meinen Augen hatte ich ein edles Restaurant, dem ich meinen Namen geben würde. Das Restaurant „Lea Linster“. Ich verabschiedete mich von der Kegelbahn und wagte einen großen Umbau.

Michelin-Stern und „Bocuse d’Or“-Gewinn

Parallel erwarb ich das Meisterdiplom und durfte bei den größten Köchen jener Zeit hospitierten: bei Paul Bocuse, Joël Robuchon, Frédy Girardet und Eckart Witzigmann. Es waren unglaublich inspirierende und energiereiche Jahre. 1987 kam dann die große Überraschung: Mein Restaurant wurde vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet, den ich von da an mehr als 30 Jahre ununterbrochen führte.

Einem Thema, das mir schon immer am Herzen lag, widme ich mich ganz besonders: der Qualität unserer Lebensmittel und dem Handwerk

Doch es sollte noch eine weitere große berufliche Überraschung geben: 1989 nahm ich stellvertretend für mein Land Luxemburg am berühmten Kochwettbewerb Bocuse d’Or teil und gewann – als erste und bis heute einzige Frau weltweit. Dieser Preis wiederum veranlasste Alfred Biolek dazu, mich in seine TV-Show „Mensch Meier“ einzuladen. So begann unsere Freundschaft und meine Fernsehkarriere. Auch das private Glück überraschte mich: 1990 wurde mein Sohn Louis geboren. Und er war so lieb, mit seinem Erscheinen am 21. August bis zum Betriebsurlaub unseres Restaurants zu warten.

Es gäbe noch viel zu erzählen – über meine große Liebe, den Raub meiner Bocuse d’Or-Trophäe, die Begegnungen mit Stars und Banketts für den Hof. Ich könnte ein Buch schreiben, wenn ich es nicht schon getan hätte. Meine Biografie „Léa Linster – Mein Weg zu den Sternen“ erschien 2015 bei Kiepenheuer & Witsch und schaffte es schnell in die Spiegel-Bestseller-Liste.

Das Leben arbeitet bereits an der Fortsetzung der Geschichte: 2019 hat die nächste Linster-Generation die Geschicke des Hauses übernommen. Ich habe die Führung des Restaurants an meinen Sohn Louis weitergegeben, der mit seiner Frau Njomza auch eine hervorragende Restaurantleiterin an seiner Seite hat. Louis hielt den Michelin-Stern für unser Haus nahtlos weiter und wurde 2020 von Gault & Millaut als „Jungkoch des Jahres 2021“ ausgezeichnet.

Botschafterin für Handwerk und Qualität

Und ich? Ich habe mich im Loslassen geübt und freue mich von Herzen über den Erfolg meines Sohnes, der seinen eigenen Weg geht. Aber Ihr könnt Euch denken, dass man eine Léa Linster nicht einfach so in Rente schicken kann. Ich genieße es, endlich Zeit zu haben, um in meinem Haus nicht nur zu übernachten, sondern auch richtig zu wohnen. Aber es gibt da draußen noch viel zu tun.

Einem Thema, das mir schon immer am Herzen lag, widme ich mich ganz besonders: der Qualität unserer Lebensmittel und dem Handwerk, das dazugehört, um daraus beste Produkte zu machen. Bestens für den Genuss und bestens für die Bekömmlichkeit. Hierfür setze ich mein Wissen und meine Erfahrung gerne ein.

Text: Léa Linster & Nicole Werkmeister
Fotos: Marc Theis (Titel), privat, NDR/Uwe Ernst